Noch am Nachmittag herrscht emsige Geschäftigkeit in der Aula. Der weiße Theaterboden muss noch verlegt, die Bühne eingeleuchtet, der Soundcheck durchgeführt werden. Jonas Friedrich Leonhardi und sein Regisseur Fabian Rosonsky vom Düsseldorfer Schauspielhaus bereiten gemeinsam mit Schülern und Lehrern die abendliche Vorstellung vor. Ich bin beeindruckt, wie perfekt die Zusammenarbeit funktioniert.

Als die Zuschauer am Abend ihre Plätze einnehmen ist der Protagonist schon auf der Bühne beschäftigt. Er verteilt weiße Punkte auf der schwarzen Bühnenwand. Gefangen in einem dunklen Raum, begleitet von einem Schnalzen und Pfeifen nimmt Jonas Leonhardi die Zuschauer mit auf die rastlose Wanderung des Sturm – und – Drang – Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz durch die Vogesen. In den folgenden 75 Minuten erleben wir ihn im Wechselspiel zwischen Depression und Hochgefühl. Er singt, spricht, klagt mit wechselnden Stimmen, in wechselnden Rollen. Mit Hilfe einer Loopstation baut er eine beeindruckende Klangkulisse auf. Der mehrstimmige Gesang des Predigttextes „Lass in mir die heilgen Schmerzen …“ erzeugt Gänsehaut. Aus den weißen Klebepunkten entsteht das Gebirge, das Pfarrhaus, eine Kirche. Später im Wahn zerstört er dieses Bild, reißt er die Konturen ab – weil die Welt für ihn die Konturen verliert. Wir sehen Jonas Leonhardi mal komisch, mal nachdenklich, mal die Schönheit der Natur wahrnehmend, mal in tiefen Angstzuständen. Er zeigt eine zerrissene Seele, die schließlich im psychischen Zusammenbruch endet. Danke für diesen großartigen Abend.

B. Hübner